Östringen, 1908 (Ortsbuch)
Östringen, 1908 (Ortsbuch)

Kleidung bzw. Trachten verschiedener

Bevölkerungsgruppen im Kraichgau

 

Barbara Novak 2006

 

Betrachtet man ein altes Gruppenfoto, kann man an der Kleidung erkennen, welchem Stand jede einzelne der abgebildeten Personen angehörte oder welcher Beruf ausgeübt wurde.

Man unterschied zwischen Bürger- und Bauernkleidung.

Die Bürgerkleidung war nach der zeitlichen Mode ausgerichtet, während sich an der Bauernkleidung Jahrzehntelang nicht viel geändert hat.

Bereits Jahrhunderte zuvor wurden von den Landesherren Ordnungen erlassen, die das Zusammenleben in ihren Territorien bzw. Orten regelten.

Eine dieser Ordnungen war stets eine Kleiderordnung. Sie legte fest, wie sich jeder Berufsstand zu kleiden hatte.

Der Bäcker z. B., der Brot und Kuchen gebacken hat, trug weiße Kleidung.

Der Schornsteinfeger (Rauchfangkehrer, Kaminkehrer), der den Ruß aus den Schornsteinen, den Kaminen, kehrte, trug schwarze Kleidung und einen Zylinderhut, der einem Ofenrohr glich.

Die Jäger oder Förster, die Polizei, der Waldbesitzer (der Landesherren, Großgrundbesitzer), die im herrschaftlichen Wald ihren Dienst verrichten, das Wild kontrollieren und Wilddiebe verfolgen mussten, trugen grüne Kleidung.

Offiziere und Soldaten hatten mit dem Aufkommen stehender Heere (v. a. seit dem Dreißigjährigen Krieg) je nach Territorium unterschiedlich gefärbte Uniformen (z. B. Preußen blau, Österreicher weiß, Briten rot, Russen grün).

Seeleute, die in der Kriegs- aber auch in der Handelsmarine tätig waren, trugen zunehmend Matrosenanzüge.

Ordensfrauen (Nonnen) trugen schwarze, schwarzweiße oder weiße Kleidung, Mönche z. T. auch braune oder graue Kutten.

Die meisten Handwerker trugen Schürzen mit Oberteil sowie eine flache Kappe mit einem Schild.

 

Den größten Teil der Bevölkerung stellten noch bis weit ins 19. Jahrhundert hinein die Bauern.

Die Männer trugen gewöhnlich schwarze Westen und lange Hosen, bei der Arbeit zusätzlich, größtenteils viereckige Halbschürzen (auch Schürzen mit Oberteil). Die Bauern erkannte man zudem an ihren runden Bauernhüten.Die Frauen trugen lange Röcke und hochgeschlossene Blusen. 

 

Trachtenkleidung im Kraichgau

 

In dem Buch von Ludwig Vögely „Das Leben im Kraichgau in vergangener Zeit“ (1997, S.64) können wir sehr viel über Sitten und Bräuche erfahren. Doch in Bezug auf Kleidung schreibt er Folgendes: „Es ist kein Exemplar der ehemaligen Kraichgautracht erhalten geblieben, keines unserer Museen besitzt eine solche. Auch die großen Trachtenmaler haben sie nicht festgehalten. Und doch hat es einmal eine Kraichgautracht gegeben, aber wie sah sie wirklich aus“?

 

Otto Bickel schreibt im „Brettener Jahrbuch für Kultur und Geschichte“ (1967, S.197): „Noch vor wenigen Jahren wurden in vielen Familien Kleidungsstücke von den Eltern an die Kinder vererbt. Daraus ergibt sich, dass sich früher Kleidermoden oft jahrzehntelang erhalten haben, von einzelnen Modetorheiten vielleicht abgesehen. Unsere Kenntnisse über die im Kraichgau getragene Tracht sind zum großen Teil Zufallsfunde und daher auch mit Vorbehalt anzusehen. Vielleicht gelingt es Forschern im Laufe der nächsten Jahre sonstige noch vorhandene Quellen auszuwerten“.

Ferdinand Justi schreibt in dem Buch von Otmar Meisinger, „Bilder aus der Volkskunde“ - „Allgemeines über Volkstrachten“ (1922, S.41): „Die Dorfschneider und noch mehr die Schneiderinnen übten bis in die neuste Zeit ihr Handwerk mit großer Gründlichkeit und erstaunlicher Geschicklichkeit nach alter Überlieferung aus und richteten sich nach üblichen Mustern“.

 

Ich, Barbara Novak, meine, es hat eine „Bauerntracht“ im Kraichgau gegeben. Man findet sie auf alten Fotos, in Ortsmonographien und auch noch als Original. Sie wurde von ungefähr 1740 bis 1920, überwiegend von Großbauern getragen.

Diese Kleidung wurde aus dem Kraichgau 1751 nach Sanktanna ins Banat mitgenommen, dort wurde sie noch in den Jahren nach 1944 getragen.

Man unterschied zwischen Bürger - und Bauernkleidung. Handwerker und andere Angestellte trugen meist einfache Kleidung. Bauernfrauen dagegen Kleidung, die aus mehreren Teilen bestand.

Bäuerinnen trugen lange gefältelte Röcke mit Unterröcken und hochgeschlossene Blusen mit langen gefältelten Schopfärmeln (Armkugeln mit kleinen Fältchen). Die Blusen waren entweder seitlich oder vorne geschlossen. (Ärmel und Stehkragen kennzeichnen diese Bauernbluse). Häufig trugen die Frauen auch gefältelte Halbschürzen, die aus drei Teilen zusammengenäht waren. Die Schürzen waren entweder über die Blusen oder unter den Blusen gebunden.

Wenn es kalt war, trugen sie außerdem noch Jacken oder Umhangtücher aus Baumwolle oder Schafswolle.

Für die Bauernkleidung der Frau gab es ein bestimmtes Schnittmuster mit verschiedenen Ausführungen.

Die Sonntags- oder Kirchgangskleidung bei Erwachsenen war größtenteils schwarz, dunkelgrün, dunkelblau, dunkelbraun oder dunkelgrau.

Die Bauernfrau war sehr stolz auf ihre Kleidung. Diese war auch sehr kunstvoll gearbeitet. Wie man auf alten Bildern erkennen kann, trugen schon kleine Mädchen diese Bauernkleidung.

An bestimmten Feiertagen waren Kinder und jugendliche Mädchen weiß gekleidet.

Die Männer trugen sonntags dunkle Anzüge und weiße Hemden (oder nur weiße Krägen), meistens noch dunkle Westen und runde Bauernhüte. Im Winter trugen sie dicke Jacken.

 

Landshausen - Familie Fischmann, um das Jahr 1900                           

Erntedankfest, Kirchhausen, 1934 (Archiv Heilbronn)