Sanktanna und sein Getreide

 

              Johann Müller

(Geschäftsführer vom Getreidelager 1965 – 1979)

Die flache Landschaft, der gute Boden und das kontinentale Klima haben dazu beigetragen und die Ansiedler vor 250 Jahren angelockt, um sich niederzulassen, um eine neue Heimat und Zukunft für ihre Familien zu gründen. Neben den Schwierigkeiten des Neuanfangs in einer fremden Umgebung wurden die Ansiedler auch noch von schlimmen Krankheiten wie Typhus und Cholera heimgesucht. Auch das ungewohnte Klima machte ihnen schwer zu schaffen, so dass sie große menschliche Verluste hinnehmen und verkraften mussten. Das alles hat sie nicht entmutigt. Unbeirrt all dieser Geschehnisse machten sie weiter, getrieben von dem Ziel, sich eine bessere Zukunft zu sichern.

Wie bereits erwähnt, ermöglichte der gute Boden den Bauern alle Getreidearten anzubauen und recht gute Ernten einzufahren. Sie konnten Weizen, Mais, Gerste und Hafer anbauen, um sich und ihre Tiere zu ernähren. Später kamen weitere Nutzpflanzen hinzu – wie z. B. Sonnenblumen, Zuckerrüben, Tabak, Raps und andere.

Da die Erträge am Anfang noch gering waren, verwendete man den größten Teil der Ernte selbst – zur Ernährung seiner Familie und für die Viehzucht. Erst später konnten die Bauern einen Teil ihrer Ernte verkaufen, um dann Geräte anzuschaffen, die ihre Arbeitsbedingungen verbesserten und auch die Erträge steigerten. Aber dieser Steigerung wurden schnell Grenzen gesetzt, da die Ackerfläche an die heranwachsenden Kinder aufgeteilt wurde. Im Durchschnitt hatte jede Familie sieben bis acht Kinder, so dass der Boden aufgesplittert wurde. Jeder war aber bemüht, aus den überschüssigen Erträgen weiteres Ackerland zu kaufen. Dies führte dazu, dass einige Parzellen sieben bis acht Kilometer vom Ort entfernt gelegen waren.

Die besten Ernten erzielten die Bauern in den Jahren 1930 und Mitte der 40er Jahre. In der Zeit konnten sich einige von ihnen bereits Traktoren und hochwertige landwirtschaftliche Geräte anschaffen, wodurch die Erträge schnell gesteigert werden konnten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, im Jahre 1945, wurden alle Deutschen enteignet. Der gesamte Besitz – Grund und Boden, Haus und Hof mit Geräten, wurden ihnen weggenommen und an die rumänische Bevölkerung verteilt. Da die meisten rumänischen Neuansiedler aus gebirgigen Landschaften kamen und wenig ackerbauliche Kenntnisse hatten, waren ihre Erträge sehr gering.

In den 60er Jahren gründete der Staat die großen L.P.G.. Die Bauern mussten mit ihrem Hab und Gut beitreten und den Boden gemeinsam bearbeiten. Die Ernte musste dem Staat abgeliefert werden, so dass man Getreide-Sammellagern bauen ließ. Dort wurde das Getreide gelagert und verwaltet.

So entstand in Sanktanna ein Getreidelager für 5.000 bis 6.000 Tonnen Getreide. Später wurde es auf eine Kapazität von bis zu 50.000 Tonnen ausgebaut. Weiterhin wurden auch Getreidesilos gebaut. Das ganze Getreide, welches von den Genossenschaften erzeugt wurde, wurde dort gesammelt, bearbeitet, getrocknet und gereinigt, gelagert und nach staatlichen Vorschriften an Mühlen, Tierzucht und Exporte weitergeleitet.

Um diese Arbeiten im Getreidelager zu bewältigen, waren bis zu dreißig fest angestellte Mitarbeiter und siebzig bis achtzig Saisonkräfte tätig. Die wichtigsten Aufgaben wurden von Johann Müller als Geschäftsführer, Karl Mayer und Karl Höniges als Lagerverwalter, Josef Kappes als Laborant, Johann Oster als Mechaniker sowie Jolanda Wiesenmeier als Buchhalterin wahrgenommen.

Durch die gute Arbeit, die im Getreidelager bei der Übernahme, Trocknung, Reinigung, Lagerung und Verteilung geleistet wurde, war das Sammellager aus Sanktanna im ganzen Land bekannt geworden und bekam Anerkennungen und Auszeichnungen.

Weil in Sanktanna keine Industrie vorhanden war, hat das Getreidesammellager auch dazu beigetragen, einem Teil der enteigneten Bauern einen Arbeitsplatz zu geben und ein Einkommen zu sichern.

Im Jahre 1989, nach dem Sturz des Diktators Ceauşescu, wurde die Bodenenteignung rückgängig gemacht und die Bauern bekamen ihren Boden wieder zurück. Seither bearbeiten sie ihn wieder selber oder verpachten ihn. Die Erträge sind wieder sehr gering, weil die Bauern ihren Acker wieder unter den alten Bedingungen (Pferd und Pflug) bearbeiten müssen.

In einem Teil der Lagerhallen und in den Silos lagert das Getreide, welches die Bauern als ihren Überschuss verkaufen. Den anderen Teil der Lagerhallen hat man wieder abgerissen.

Diese Ausführung ist als kurze Schilderung des Schicksals der Bauern und ihrer Getreideproduktion von der Aussiedlung bis heute zu sehen.  

 

Böblingen 2006