Das Laufen aus dem Land

  

„Unser Land war 200 Jahre lang Kriegsschauplatz. Auf den Dreißigjährigen Krieg folgten die Eroberungskriege Ludwigs XIV und die verschiedenen Erbfolgekriege. Kämpfe und Durchmärsche beunruhigten das Land.

Als Ungarn von den Türken befreit und das Banat 1715 – 1718 von Reichstruppen erobert und von den Türken an Österreich abgetreten worden war, suchte der Kaiser für diese verwüsteten Gebiete tüchtige Leute, die das Land wieder besiedeln sollten.

Den Auswanderungswilligen wurden große Versprechungen gemacht, und der Kaiser wies die Behörden an, die Kolonisten für Ungarn geheim und in aller Stille von Ulm oder Günzburg aus auf der Donau über Wien nach Ungarn zu transportieren.

 

So begann schon im Frühjahr 1723 „das Laufen aus dem Land nach Ungarn“ in solchem Maß, dass unser Landesherr, der Bischof von Speyer, Angst bekam, sein Land würde von jungen und tüchtigen Menschen entvölkert. Die Auswanderungen stiegen auch nach der Französischen Revolution wieder an, weil die Revolutionsheere unser Gebiet besonders brandschatzten. Dem Wegzug stand die Leibeigenschaft entgegen.

Der Leibeigene hatte die Verpflichtung zur Schollensäßigkeit. Wenn er sein Dorf verlassen wollte, so musste er sich von all den Abgaben freikaufen, die mit seiner Untertänigkeit verbunden waren. Dies war sogar der Fall, wenn er sich nur in einen Nachbarort, der zu einer anderen Herrschaft gehörte, verheiraten wollte.

Die Grenzkontrolle war sehr streng, weil sie eine wichtige Einnahmequelle für die Landesherren bildete. Wer die Grenze überschritt, musste einen Pass oder einen Mannumissionsbrief vorzeigen. Eine Mannumission mussten alle beantragen, die ins Ausland zogen. Aber Ausland konnte auch Deutschland sein, nämlich alle nichtspeyrischen Orte, z. B. Bauerbach, Oberöwisheim und Oberacker“.

(Hartmann, aus: Ortschronik Neibsheim, 1986, S. 86)

 

Die Auswanderer

 

Mitte des 18. Jahrhunderts wanderten viele Katholiken aus Süddeutschland ins „ Banat“ aus.

In vielen Teilen Europas, aber auch im östlichen Nordamerika (vor allem in Pennsylvania), wohin etwa zur gleichen Zeit viele Protestanten ausgewandert sind, zeugen ganze Landstriche oder Siedlungen vom Wirken der Menschen (Auswanderer) aus Süddeutschland.

 

Bernhart Rapp schreibt im Jahre 1950 folgendes:

„Zu allen Zeiten haben Bewohner des Ortes Landshausen ihre Heimat verlassen, um irgendwo in der Fremde ihr Glück zu suchen“.

„Wir wissen von vielen Auswanderern nichts mehr, die in der Welt untergetaucht sind; sie sind verschollen“.

„…...Groß vielleicht die Zahl auch derer, die mangels einer wirtschaftlicher Existenzgrundlage der Heimat schweren Herzens den Rücken kehren mussten“.

„In der fernen Erde, die für sie eine zweite Heimat geworden ist, liegen sie begraben. Wir wissen nichts mehr von ihrem Leben und Treiben“. (Rapp, Ortschronik Landshausen, 1950, S.59)

 

Von Süddeutschland

nach Sanktanna

 

Barbara Novak 2006  

 

Junge Paare aus deutschen Landen wollten selber ihren Bauernhof gründen. Aber aufgrund der im Kraichgau herrschenden Realteilung des Grund und Bodens entfiel bei Eltern, die mehrere Kinder hatten, nicht viel Feld auf ein Kind. Und so nahmen viele das Angebot an, als der Kaiser Karl VI. junge, kräftige Leute suchte, um das ihm gehörende Banat zu besiedeln.

Am Kaiserhof in Wien wurde Anfang des 18. Jahrhunderts beschlossen, dass unter anderem auch das Banat von Menschen aus Deutschland besiedelt werden sollte. Maria Theresia, Gemahlin des damaligen deutschen Kaisers (Franz Stephan von Lothringen) und Königin von Ungarn (1740–1780), veranlasste die Anwerbung von Neusiedlern für die wieder zurück gewonnenen Gebiete. Einwandern durften bis 1781 in das Habsburger Reich jedoch nur Katholiken. Unsere Vorfahren waren früher mal evangelisch, mal katholisch gewesen, je nachdem wie die Herrschaft wechselte, je nachdem welcher Konfession die Landes- oder Ortsherren angehörten; Denn sie bestimmten bis zum Ende des alten Deutschen Reiches (1803) die Religionszugehörigkeit ihrer Untertanen. Zur Zeit der Auswanderung in die habsburgischen Lande waren etliche der Landesherren bzw. Ortsherren katholisch. Zu ihnen gehörte im Kraichgau, neben dem Bischof von Speyer und dem Kurfürsten von der Pfalz, auch der Graf von Neipperg. Da er, dem damals unter anderem auch Massenbachhausen gehörte, direkte Verbindung zum Wiener Hof hatte, kann man vermuten, dass er bei der Anwerbung von Siedlern für das Banat, „Sanktanna“ vermittelte. Auch die Grafen von Degenfeld-Schonburg waren zur Zeit der Besiedlung des Banats am Wiener Hof vertreten.

Für einen Bauern klang es sehr verlockend: „1 Joch Garten, 12 Joch Bodenfläche und 26 Joch Ackerfeld“, das man sich drei Jahre abgabenfrei vom dortigen Adel abverdienen konnte. Was brauchte ein Bauer mehr? Mit etwas Eigenkapital, welches die Übersiedler vorweisen mussten, traten viele junge Bauernsöhne aus dem Kraichgau und anderen Landstrichen Süddeutschlands diese Reise in ein fernes, ihnen unbekanntes Land an, ohne zu wissen, ob sie ihre Heimat jemals wieder sehen würden. Die Übersiedlung geschah innerhalb des deutschen Kaiserreichs, wie weit und wie beschwerlich diese Reise war, konnten sich viele nicht vorstellen.

In mehreren Gruppen zogen vorwiegend Bauern und Handwerker vor allem aus dem Kraichgau und aus dem Badischen Frankenland, nach Sanktanna, nahe der Stadt Arad. Später kamen mehrere Familien aus dem oberen Neckar dazu. Sie nahmen einen Weg, der hier beschrieben ist: Nach einem langen Fußweg bestiegen die Familien in Donauwörth die bereitgestellten Transportkähne (Ulmer Schachtel), die sie auf der Donau, an Wien vorbei, nach der gegenüber von Buda (Ofen) gelegenen Stadt Pest brachten. Es wurden auch Briefe gefunden, in denen es heißt, man nehme lieber den Postweg auf dem Lande, da es auf dem Wasser eine beschwerliche Reise sei: Wien – Hainburg – Wolfstal – Pressburg – Komarom – Esztergom – Visegrad – Szentendre – Buda - Pest.

Dann begann die Landfahrt in eigenen Pferdefuhrwerken. Einige nahmen den Weg; Cegléd – Szarvas – Békés – Gyula – Elek – Sanktanna (Komlosch). Andere wiederum nahmen den Postweg: über Kecskemét nach Csongrád, wo sie die Theißbrücke überquerten, über Csaba –Gyula – Elek nach Sanktanna.